Gratzl beleuchtet Psychologie: Glaubenssätze beim Pferdekauf


Im schönen Taufkirchen an der Trattnach – idyllisch gelegen in Oberösterreich zwischen Passau und Linz – führt Catherine Gratzl ihren Ausbildungsbetrieb für Beritt- und Verkaufspferde. Die Islandpferde-Trainerin hat neben der engagierten Reiterei mit dem P3-Weltrekord als Höhepunkt Psychologie studiert und dabei den Schwerpunkt im Bereich der Sportpsychologie gesetzt. Nachfolgend dokumentiert sie ihr Modell der „Glaubenssätze beim Pferdekauf“- hochinteressant sowohl für Anbieter wie auch für Suchende.

Glaubenssätze beim Pferdekauf
Von Catherine Gratzl

Ich möchte in diesem Kommentar einen Detailaspekt des Pferdekaufs herausgreifen, der meiner Erfahrung nach jedoch äußerst gravierend und zentral ist: die Glaubenssätze des Pferdekäufers und deren Auswirkung auf die Kaufentscheidung.

Was ist ein „Glaubenssatz“?

Jeder Mensch sammelt in seinem Leben eine Unzahl an Glaubenssätzen („Beliefs“). Einerseits bekommen wir diese durch Sprüche wie „ohne Fleiß kein Preis“ bewusst vermittelt, andererseits entstehen Glaubenssätze aus der Verarbeitung und Bewertung früherer Ereignisse unseres Lebens. Glaubenssätze enthalten Aussagen über die Bedeutung von Erlebnissen, Personen, Dingen oder deren Beziehung zueinander – dadurch geben sie uns eine klare Richtung vor. Für den Menschen der einen bestimmten Glaubenssatz hat, ist dieser von absoluter Gültigkeit und Überzeugung geprägt. Glaubenssätze können stark einschränkend wirken: „ohne Fleiß kein Preis“ legt nahe, dass es keinen anderen, alternativen Weg zum Erfolg gibt. Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch sehr positive und erweiternde Glaubenssätze wie zum Beispiel „egal was kommt, ich weiß meine Familie steht hinter mir“.

Was bedeutet das aber für den Pferdekauf?

Meiner Erfahrung nach sind Glaubenssätzen auch beim Pferdekauf elementar. Schon beim ersten Kontakt, den ich mit potenziellen Pferdekäufern habe, erfahre ich – meist indirekt – viele Glaubessätze. Ich höre Aussagen wie „ich möchte unbedingt einen Wallach“, „mein Pferd soll nicht jünger als sieben Jahre sein“, „ich nehme lieber einen Viergänger, denn Fünfgänger können ja alle nicht galoppieren“… Ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. Solche und ähnliche Sätze geben dem Kunden eine wichtige Orientierungshilfe bei der Vorauswahl aus einem scheinbar unerschöpflichen Angebot an Verkaufspferden. Diese Vorauswahl ist unerlässlich, weil man über das Internet aus einer unendlichen Anzahl an Pferden auswählt, weil plötzlich ganz Europa nahe ist.

Soweit so gut. Bedeutend sind meiner Erfahrung nach aber nicht die eigentlichen Aussagen selber, sondern die Glaubenssätze, die hinter diesen Aussagen stecken! Ich möchte diesen Gedanken an einem konkreten Beispiel erklären: eine Kundin rief mich an und beschrieb mir ihr Traumpferd, das unter anderem keinesfalls jünger als sieben Jahre sein durfte. Jetzt wäre es natürlich naheliegend gewesen, einfach gleich alle fünf- und sechsjährigen Verkaufspferde als nicht geeignet zu betrachten und der Kundin nur die älteren vorzustellen.

In Wahrheit war für mich aber an dieser Stelle die entscheidende Frage, welcher Glaubenssatz hinter der Aussage meiner Kundin stand. Was war also der Grund, warum das Pferd genau sieben Jahre oder älter sein sollte? Das konnte ich natürlich nur im weiterführenden Gespräch herausfinden, in dem sich herausstellte, dass die Kundin glaubte, fünf- und sechsjährige Pferde seien alle noch schreckhaft und die Schreckhaftigkeit verginge im Laufe der Jahre. Jeder der bereits mit vielen Pferden zu tun hatte wird mir zustimmen, dass man so etwas nicht pauschal behaupten kann. Manche Pferde sind bereits mit fünf Jahren unendlich cool und siebenjährig daher auch nicht anders, weil einfach so gut wie keine Steigerung mehr möglich ist. Andere Pferde hingegen sind mit sieben Jahren immer noch schreckhaft und werden es höchstwahrscheinlich auch zehn- oder zwanzigjährig noch sein.

Was will ich also damit sagen? Hätte ich der Kundin einfach nur siebenjährige und ältere Pferde angeboten, wäre zwar ihr offensichtlicher Wunsch erfüllt gewesen, aber ich hätte dem nicht Rechnung getragen, worum es ihr in Wirklichkeit ging: Sie wollte kein schreckhaftes Pferd haben! Vielleicht wäre sie sogar mit einem eher schreckhaften Siebenjährigen nach Hause fahren und hätte sich dann sehr unglücklich gefühlt, weil sie nicht bekam, was sie eigentlich wollte. Aber schließlich sprach sie ja auch vom Alter und nicht von der Schreckhaftigkeit des Pferdes…

Das beschriebene Beispiel ist noch sehr offensichtlich und leicht nachzuvollziehen. Trotzdem ist es oft so, dass dem Kunden seine wahren Beweggründe – also die verborgenen Glaubenssätze – auf die er seine Kaufentscheidung aufbaut, nicht bewusst sind. Und genau in diesem Bewusst-Machen dieser echten, dahinterliegenden Beweggründe sehe ich meine Aufgabe für eine langfristig glückliche Verbindung und Passung zwischen Mensch und Tier.

Dazu ein komplexeres Beispiel: eine Kundin beauftragte mich, für sie ein Pferd zu suchen. Diese Kundin war gerade in Pension gegangen und wollte sich nun endlich den großen Traum vom eigenen Islandpferd erfüllen. Die wichtigste Anforderung war, dass es nur brav sein müsse, weil die Kundin körperlich vorbelastet war und auch oft beim Reiten große Angst verspürte. Dazu noch halbwegs taktklare Gänge, alles andere eigentlich egal, aber gerne eine Stute. Hauptsache brav. Ein Pferd, das diese Beschreibung erfüllt, lässt sich grundsätzlich schnell finden, dementsprechend hätte ich meine Kundin auf den ersten Blick auch rasch zufriedenstellen können. Aber eben nur auf den ersten Blick…!

Bei der Arbeit mit ihr wurde nämlich recht schnell klar, dass die Dame beim Reiten zwei komplett unterschiedliche Modi zeigte. Überschwappte sie ihre Angst, konnte sie weder klar denken, noch reiten. War sie aber auf einem Pferd entspannt, hatte sie ein gutes Bewegungsgefühl und entpuppte sich als äußerst geschickte und ambitionierte Reiterin. Verblüffender Weise waren es aber nicht die objektiv „bravsten“ Pferde, die sie reiterlich wachsen ließen. Welcher Schalter war es daher, der bei ihr den Unterschied machte? Schlussendlich fanden wir gemeinsam den Schlüssel: Bei dieser Dame ging es um das Vertrauen, das sie einem konkreten Pferd entgegenbringen konnte. Ihr unbewusster Glaubenssatz war: „kann ich dem Pferd vertrauen, kann ich es problemlos reiten und Spaß daran haben“. Außerdem fanden wir heraus, dass sie eigentlich große Freude an einem gangstarken Pferd hätte – allerdings glaubte sie, dem nicht gewachsen zu sein.

Mit dieser Einsicht veränderte ich mein Suchprofil gravierend: Ich suchte also nicht mehr das bravste Pferd ohne nennenswerte Gangqualität, an erster Stelle stand nun das Vertrauen. Und weil Vertrauen etwas ganz Subjektives ist, erarbeiteten wir gemeinsam genau jene Merkmale eines Pferdes, die sie Vertrauen finden ließen und dadurch den Zugriff auf ihr reiterliches Geschick ermöglichten. Natürlich sollte das gesuchte Pferd auch weiterhin „objektiv“ brav sein, aber eben jetzt auch richtig gangstark und dabei weich in allen Gängen (was wir als wichtiges Kriterium für das Vertrauen erkannten).

Ich hoffe dieses Beispiel macht deutlich, wie sehr sich nun das Traumpferd der Dame verändert hat. Ursprünglich gesucht war also eine circa 15-jährige lethargische Stute ohne nennenswerte Gangqualität – „Hauptsache brav“. Gefunden haben wir schlussendlich einen eleganten, qualitativ hochwertigen zehnjährigen Rappscheck-Wallach mit feinem Charakter, großen, aber unglaublich weichen Gängen und – am wichtigsten – mit dem gewissen Etwas, das dieser Dame das elementare Vertrauen gibt. Im ersten Moment wäre meine Kundin sicher mit der lethargischen Stute zufrieden gewesen, hätte sich aber durch ihre Pferdewahl in ihrer reiterlichen Entwicklung stark eingeschränkt.

Erst durch das Ergründen ihrer unbewussten Glaubenssätze konnten wir das Pferd finden, das sie nun auch langfristig sehr glücklich macht und wirklich alle Ansprüche erfüllt, die für sie in Wahrheit von Bedeutung sind. Nun hat sie in ihrer Pension Zeit und Freude, sich mit ihrem Pferd zu entwickeln und mir macht es großen Spaß, sie auf diesem Weg zu begleiten. Dieses Beispiel ist im Rahmen meiner Tätigkeit als „Vermittlerin“ zwischen Reiter und Pferd kein Einzelfall und gerade den beiden Themen Angst und Vertrauen begegne ich oft.

Long story short:

Neben vielen anderen Themen ist es mir bei einer Beratung in meinem Verkaufsstall extrem wichtig, meinen Kunden nicht nur zuzuhören, sondern auch nachzufragen. Ich möchte nicht nur wissen, welche Eigenschaften sie bei einem Pferd suchen, sondern auch WARUM es genau diese Eigenschaften sein sollen. Es stecken immer bestimmte Glaubenssätze dahinter, die für diesen Menschen in diesem Moment absolute Gültigkeit besitzen. So ein Glaubenssatz kann den Kunden allerdings aus einer falschen Überzeugung heraus in der Wahl seines Pferdes einschränken, oder ihn ein Pferd aussuchen lassen, das ihn nur sehr kurzfristig oder vielleicht auch gar nicht glücklich machen wird. Eine meiner wesentlichen Aufgaben ist es daher, neben den üblichen Merkmalen und Anforderungen einer kompetenten Beratung, den Kunden so zu unterstützen, dass ihm seine wahren Motive bewusst werden.

Die Entscheidung für oder auch gegen ein bestimmtes Pferd ist eine schwerwiegende, die das eigene Leben und auch das des Pferdes gravierend beeinflusst. Daher rate ich dazu, sich die Zeit zu nehmen, sich im Vorfeld nicht nur ehrlich mit sich selbst auseinander zu setzen, sondern sich auch professionelle Unterstützung und Beratung zu suchen, damit der Traum vom eigenen Pferd auch nach dem Erwachen traumhaft weitergeht.